Liebeserklärung an ein Stückchen Wald

Premiere! Diesen wundervollen Gastbeitrag hat unsere neue Gastautorin Sabine geschrieben.

Der Kontakt zu Sabine entstand ganz unerwartet. Sie wurde mir [Tabea] als eine Frau mit großem Schreibtalent empfohlen, die ich doch mal anrufen solle. Bei unserem Kennenlerngespräch im Bubbles Café merkte ich schnell, was für ein toller Mensch da vor mir sitzt: so respektvoll, wertschätzend und eine großartige Zuhörerin obendrein.

Als wir dann am Ende eines schönen, langen Gesprächs feststellten, dass wir beide in zwei Nachbardörfern in Nordhessen aufgewachsen sind — also noch viel mehr gemeinsam haben als angenommen —, war vollkommen klar, dass das eine gute Zusammenarbeit werden würde.

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Sabine Babbel-Monzel

… unterstützt mit ihrem Unternehmen »LebensWürde« Menschen dabei, ihre eigene Biografie zu erstellen, indem sie ihnen zuhört, ihre Geschichte aufschreibt und diese als Lebensbuch herausbringt.

Wir freuen uns, dass Sabine nicht nur für andere schreibt, sondern nun bei »Hallo Ludwigsburg« auch ihre eigenen Erfahrungen teilt und Tipps weitergibt.


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Ihr möchtet alle Jahreszeiten hautnah spüren, auch als Stadtmenschen? Ihr wollt in Coronazeiten einfach mal raus, ohne Maske, aber mit Raum zum Durch- und Aufatmen? Ihr habt Lust auf einen spontanen Waldspaziergang ohne lange Anreise — und das im waldärmsten Kreis des Ländles?

 

Dann macht euch auf in den Salonwald Ludwigsburg!

 

Ein echtes Schmuckstückchen. Oft unterschätzt, wie ich finde. Wahrscheinlich, weil er klein ist und schmal wie ein Handtuch. Vielleicht auch wegen seiner Lage: ein wenig abseits der Ludwigsburger Innenstadt, am Südrand Richtung Kornwestheim.

Ich selbst habe ihn jahrelang links oder rechts liegen lassen, nur aus dem Autofenster beiläufig wahrgenommen. Selber schuld! Was ich verpasst habe, merke ich bei meinem heutigen Spaziergang.

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Es ist ein sonniger Oktobervormittag.
Von der lauten Robert-Franck-Allee biegt mein Weg ab hinter die herbstbunte Wand des Waldrandes. Zugegeben, den Straßenlärm kann das nicht wegschlucken, der rauscht weiter. Aber wenn, wie heute, ein Lüftchen geht, vermischt sich das Rauschen der Baumkronen mit dem der Autos, und dann fallen die schon gar nicht mehr so auf.

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Kindheitserinnerungen auf dem Laubteppich

Und die anderen Sinne, die werden geflutet mit Eindrücken. Der Laubteppich unter meinen Füßen weckt sofort Kindheitserinnerungen und ich kann nicht widerstehen: Meine Schuhe schieben schwungvoll über den Boden und wirbeln die Blätter zu kleinen Haufen auf. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, genauso wie damals genieße ich dieses Rascheln und Schlurfen. 

»Moderndes Laub und verrottendes Holz sind nicht jedermanns Lieblingsgeruch, aber ich mag das.«

Der Weg streckt sich heute wie ein goldenes Band vor mir aus, ein Kunstwerk aus unzähligen, leuchtend gelben Ahornblättern. Auch jetzt taumeln etliche von ihnen aus großer Höhe herab, um sich dann sanft auf Weg und Waldboden abzulegen. Dort, wo sie herkommen, öffnet sich das Kronendach zu einem Guckloch. Mein Blick trifft auf ein Herbsthimmelblau, getupft mit weißen Wolkenfedern. Der Mäusebussard, der mit seinem Geschrei irgendwo da oben kreist, kommt an diesem Fensterchen leider nicht vorbei. 

Und wie das duftet! Klar, moderndes Laub und verrottendes Holz sind nicht jedermanns Lieblingsgeruch, aber ich mag das, es ist wie in einem der »richtigen« Wälder da draußen. Und wie heißt es neuerdings — die Duftstoffe der Waldorganismen, vor allem der Bäume, haben gesundheitsfördernde Wirkung auf den Menschen? Dann gerne mehr davon! 

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Keine Nadeln — dafür ganz viel Laub

Überhaupt, die Bäume. Fichten oder Tannen findet man im Salonwald nicht. Aber eine Vielfalt an Laubbäumen unterschiedlicher Arten und Altersstufen. Mit meinem begrenzten Laienwissen entdecke ich immerhin Ahorn, Buche, Eiche, Hainbuche, Kirsche und Linde. Die anderen kann ich leider nicht sicher benennen. Das wäre mal ein Lernprojekt für den nächsten Sommer.

Direkt neben meinem Weg ist einer der Baumriesen zu Boden gegangen und verrottet offenbar schon lange vor sich hin. Ein Sturm muss ihn abgeknickt haben wie ein Streichholz. Der spitzzackige Stumpf erinnert an einen hohlen Zahn. In seinem Schutz hat es sich eine Pilzfamilie gemütlich gemacht, während sich an der bröckelnden Rinde eine Efeuranke emporarbeitet. Ein Bild des Verfalls. Aber genau so läuft er nun mal, der Kreislauf der Nährstoffe und des Lebens im Wald. Wie gut, dass der Förster das sogenannte Totholz nach Möglichkeit liegen lässt. Unglaublich viele Mini-Organismen finden darin einen Lebensraum, während sie ihren Beitrag zu Zersetzung und Bodenbildung leisten.

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Pilze haben zurzeit ihren großen Auftritt. Winzig und zart oder dick und rund, Einzelgänger oder Grüppchen, direkt aus der Erde sprießend oder auf morschem Holz. Essbar sind sie sicher nicht, aber ein Augenschmaus! 

Pilze haben zurzeit ihren großen Auftritt. Winzig und zart oder dick und rund, Einzelgänger oder Grüppchen, direkt aus der Erde sprießend oder auf morschem Holz. Essbar sind sie sicher nicht, aber ein Augenschmaus! 

»Ein bisschen wilder und natürlicher als manche Parks«

Ein Urwald wird der Salonwald dadurch natürlich nicht, aber er sieht ein bisschen wilder und natürlicher aus als manche Parks. Und er liefert spielenden Kindern Baumaterial für ihre Ideen — zum Beispiel für das Tipi aus herabgefallenen Ästen nahe der Königinallee.

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Glückssteine, kreuzende Joggerpaare und Hunde in allen Größen

 

Überrascht bleibe ich stehen: Neben meinem Pfad funkelt mir etwas Buntes entgegen — rosa, lila, metallicgrün. Am Fuß eines Baumstamms formen zwei kräftige Wurzeln eine kleine Höhle. Darin schimmern einige Steine, farbig bemalt und mit Glitzerpunkten verziert. Dazu ein handgeschriebenes Schildchen:

»Glücksbaum. Brauchst du Glück? Dann nimm einen Glücksstein mit. Wenn du magst, bring wieder einen zurück.« Wunderbar! Nun fühle ich mich sogar wie im Märchenwald. Vielleicht tummeln sich auf diesem besonderen Fleckchen Erde ja sogar ein paar freundliche Elfen? 

»Gerade kreuzt schon zum vierten Mal das gleiche Joggerpaar meinen Weg.«

Ja, groß ist dieses Wäldchen mit seinen zwölf Hektar wirklich nicht, gerade kreuzt schon zum vierten Mal das gleiche Joggerpaar meinen Weg. Auch sonst ist es hier nicht einsam. Immer wieder begegne ich Menschen, die spazieren gehen oder sich auf einer der vielen Bänke niedergelassen haben.

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Eine von ihnen fällt mir mehrmals auf; wie ich hat sie ihr Handy gezückt und fotografiert die Schönheiten des Waldes. Unverhofft entwickelt sich ein nettes Gespräch zwischen uns. Später freue ich mich über ein Mutter-Töchterchen-Paar. Ihre Partnerlook-Jacken leuchten in fast dem gleichen Gelb wie die Ahornblätter auf dem Weg, den sie entlanghüpfen.

Ein paar Radler gibt es, Hunde in allen Größen — inklusive Frauchen oder Herrchen, und sogar ein Trupp Mädchen zu Pferde aus dem nahen Reitstall ist unterwegs. Unter Anleitung ihres Lehrers dürfen sie nacheinander auf einem weichen Wegstück das Traben üben. Doch überlaufen ist der Wald trotzdem nicht, heute jedenfalls bleibt genügend Platz für alle.

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Unübersehbare »Spuren der Zivilisation« sind der große Wasserturm an der Ostspitze des Waldes und ein Bauwerk, das mittendrin auf einem Hügelchen thront. Fantasievolle Menschen haben es mit Graffiti und Sprüchen verziert. Ich habe keine Ahnung, was für ein Häuschen das ist, vielleicht ein Wasserbehälter. Oder weiß jemand von euch, welchen Zweck es mal hatte oder hat? Wenn ja, schreibt es gerne in die Kommentare.

Ach ja, fast hätte ich‘s vergessen: Sogar Trimmgeräte findet ihr im Salonwald, einige sind funkelnagelneu.

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Tierbegegnungen

Und was ist mit der Tierwelt in so einem Mini-Stadtwald, umzingelt von dicken Straßen? Nun ja, Rehe oder Wildschweine sind mir keine begegnet. Aber einen Buntspecht durfte ich bei der Arbeit beobachten, ein neongrüner Grashüpfer ist dicht neben meinem Schuh weggesprungen, und mein Highlight für heute: Eine ganze Weile stand ich regungslos Auge in Auge mit einem Eichhörnchen, ehe es mich langweilig fand und auf der Suche nach Futter weiterhuschte.

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Irgendjemand hat an versteckter Stelle einer Vogelfamilie ein schmuckes Einfamilienhäuschen spendiert.

Irgendjemand hat an versteckter Stelle einer Vogelfamilie ein schmuckes Einfamilienhäuschen spendiert.

Ich schlendere bis zur Südwestecke des Waldes, zum Kreuzungspunkt von Königinallee und Königsallee. Hierher zu kommen lohnt sich. Auf etwa 330 Metern Höhe ist dies einer der höchstgelegenen Punkte Ludwigsburgs. Von hier könnt ihr entlang einer Nord-Süd-Sichtachse weit ins Land schauen. Zur einen Seite über Kornwestheim bis zum Stuttgarter Fernmeldeturm, in entgegengesetzter Richtung die Königsallee hinunter auf das Ludwigsburger Schloss und zum Favoritepark.

Heutiger Wald war einst Eberhard Ludwigs Schlossgarten

Vor 300 Jahren, als Eberhard Ludwig sein Jagdschloss bauen ließ, gehörte diese Anhöhe zum Schlossgarten. Nicht als Wald, sondern als ein mit Pflanzen gestaltetes »Lustwäldchen« mit Rondellen, Bogengängen, einem Speisesaal und den namensgebenden kleinen Gartenzimmern, den »Salons«. Sogar in einem Irrgarten konnte der Hofadel sich vergnügen.

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Heute ist von all dem so gut wie nichts übrig; bis auf einen Teil des Wegenetzes, das sich durch den Wald spinnt: kreuz, quer, spitzwinklig, rund oder auch sternförmig. Erst vor 150 Jahren entstand dann durch systematische Aufforstung langsam ein Wald, wie wir ihn uns heute vorstellen.

Hier oben an der »Grünen Bettlade« findet ihr auch drei Infotafeln.

Kurz und anschaulich skizzieren sie die Ursprünge des Salonwaldes, beschreiben die Geschichte der benachbarten Karlshöhe und erklären, was es mit dieser »Bettlade« auf sich hat.

Ich liebe die alten Buchen. Heute habe ich zwei Exemplare entdeckt, deren Silberstämme so gerade gewachsen sind, dass sie mich an Säulen in einer Kathedrale erinnern. Und habt ihr schon mal gesehen, dass manche von ihnen mit großen Augen auf uns her…

Ich liebe die alten Buchen. Heute habe ich zwei Exemplare entdeckt, deren Silberstämme so gerade gewachsen sind, dass sie mich an Säulen in einer Kathedrale erinnern. Und habt ihr schon mal gesehen, dass manche von ihnen mit großen Augen auf uns herunterschauen?

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Ihr seid neugierig geworden?
Dann kommt vorbei und schaut selbst!

Auf meinem Rückweg fallen mir die Glückssteine wieder ein. So einer wäre doch ein hübsches Andenken. Aber so sehr ich die Augen aufsperre, ich finde die Stelle nicht wieder. Ja, so klein er auch ist, der Salonwald, mit seinen vielen Wegen und Trampelpfaden bleibt er ein bisschen unübersichtlich und geheimnisvoll. Oder sollten doch die Elfen dahinterstecken? Und nur dem ihren Glücksbaum zeigen, der es gerade besonders nötig hat?

Ich jedenfalls verlasse auch ohne Stein glücklich diesen Wald und freue mich auf meinen nächsten Besuch. Vielleicht an einem magischen Novembernebeltag. Oder im Winter, wenn das Spiel von Licht und Schatten besonders intensiv ist. Allerspätestens aber, wenn die ersten Frühlingsblumen sich wieder aus dem Waldboden hervorwagen.

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Wie kommt man zum Salonwald Ludwigsburg?

Zu Fuß: Der schönste Fußweg aus der Innenstadt hierher geht über die Königsallee. Unterwegs lohnt sich ab und zu ein Blick nach rechts und links, hier stehen einige prächtige Villen. Oder ihr lauft die Alt-Württemberg-Allee, von der Schorndorfer Straße kommend, immer geradeaus. Nach der Ampel über die Robert-Franck-Allee geht es direkt in den Wald.

Mit dem Bus: Linie 427 und 427A (Haltestellen Tennisplatz oder Robert-Franck-Allee oder Karlshöhe), auch die 533 hält am Nordende, Haltestelle Aldinger Straße.

Tipp: Unempfindliche Schuhe wären nicht schlecht, denn je nach Wetter können die Wege ein bisschen matschig sein. Wie es halt so ist in einem richtigen Wald.

Und wenn ihr mit Kindern unterwegs seid: Plant auch Zeit ein für den Spielplatz an der Karlshöhe, auf der anderen Seite der Königinallee.

 

Wer mehr über die Bewirtschaftung und Pflege des Salonwaldes wissen möchte, kann bei der LKZ weiterlesen (Artikel vom Juli 2020).

 

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Veröffentlichung: 20. November 2020
Autorin: Sabine Monzel
Bilder: Deborah Schulze